Akute beidseitige Hahnentrittproblematik (Stringhalt)

Vorbericht

Eine 9-jährige Mecklenburger Stute wurde aufgrund einer akut aufgetretenen beidseitigen hahnentrittartigen Fußung (Stringhalt) zur weiteren Abklärung in der Klinik eingestellt. Vorberichtlich war die Symptomatik akut, ohne sichtbare Ursache, auf einem Dressur-Lehrgang aufgetreten.

Klinische und weiterführende Untersuchung

Bei der Untersuchung zeigte das Pferd einen beidseitigen hochgradigen Hahnentritt (Grad 5), wobei beide Hintergliedmaßen zeitgleich, ruckartig mit maximaler Flexion der Tarsalgelenke unter den Bauch gezogen wurden (Abb. 2, 3). Ein Vorwärtsbewegen des Pferdes war dadurch nur sehr erschwert möglich. In der weiteren Untersuchung der Hintergliedmaßen wurden keine pathologischen Befunde erhoben. Das Allgemeinbefinden war ungestört.

Es wurde eine ausführliche Blutanalyse mit Bestimmung des EHV-Titers durchgeführt. Die Blutwerte befanden sich im Referenzbereich. Die oberen Atemwege wurden endoskopisch untersucht um eine Kehlkopflähmung auszuschließen. Diese lag nicht vor.

Abb. 1: Der Patient zeigt das charakteristische „bunny hopping“, welches durch eine beidseitige Hyperreflektionsstellung der Hintergliedmaßen gekennzeichnet ist.

Abb. 2: Am Tag der Erstvorstellung verharrt die Stute in Hyperflexionsstellung der rechten Hintergliedmaße für einige Sekunden und ist zeitweise Bewegungsunfähig (Grad V-Symptomatik).

Abb. 3: Nach 14-tägiger medikamentöser Therapie erfolgte eine Medikationsumstellung, woraus eine Verbesserung des Gangbildes resultierte.

Therapie und weiterer Verlauf

Bei der Therapie kommen zentrale Muskelrelaxantien und Antikonvulsiva, sowie chirurgisch die Tenotomie der Sehne des M. extensor digitalis lateralis zum Einsatz. Die Stute wurde in der Klinik zunächst über einen Zeitraum von einer Woche mit einem Antikonvulsivum und weiteren Medikamenten behandelt. Da nur eine geringfügige Besserung auftrat erfolgte eine Umstellung der Medikation. Das Gangbild verbesserte sich unter dieser Therapie deutlich (Abb. 4). Im Schritt war phasenweise die Ganganomalie nicht mehr sichtbar, jedoch muss die langfristige Prognose als vorsichtig bewertet werden.

Diskussion und klinische Relevanz

Der Hahnentritt ist in Deutschland eine eher selten auftretende Erkrankung, der verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Ätiologisch wird der einseitige „atypische Hahnentritt“, bedingt durch z.B. Spat oder Verletzungen vom bilateralen „Australian stringhalt“, bedingt durch eine Intoxikation unterschieden. Auslöser für den Australian stringhalt ist u.a. das „Gewöhnliche Ferkelkraut“ (Hypochaeris radicata), das zu einer Neurodegeneration führt (Abb. 4). Nach Toxinaufnahme kann es bis zu zwei Wochen zu einer Symptomverschlechterung kommen. Obwohl Spontanheilungen beschrieben sind, dauert es bis zur Symptomfreiheit teilweise drei Jahre. Da Ferkelkraut auch in der hiesigen Gegend (insbesondere Brandenburg) vorkommt, liegt die Vermutung nahe, dass im vorliegenden Fall die Aufnahme dieser Pflanze die Symptomatik induziert hat.  Bei Auftreten einer beidseitigen Hahnentrittsymptomatik sollte die Intoxikation durch Ferkelkraut in Betracht gezogen werden.

Abb. 4:  Das „Ferkelkraut“ (Hypochaeris radicata) wird als auslösendes Agens des Australian stringhalt vermutet. [Quelle: www.guenther-blaich.de]